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Satt

Liebe Brotbackfreunde,

Diäten, seit hunderten, wenn nicht sogar tausenden Jahren, Thema. Überall dort, wo im Überfluss gegessen und getrunken wird, taucht der Wunsch abzunehmen auf.

Diäten sollen es richten, daraus ist ein riesiges Geschäftsmodell entstanden. Weglassen, verzögern, Einseitigkeit – die Diätmodelle sind vielseitig, und doch beruhen sie alle auf der einfachen Tatsache, dass unser Körper bei einer Kostumstellung zuerst immer 3-6 kg verliert. Wer dauerhaft aber an Gewicht verlieren möchte, kommt nicht darum herum, weniger zu essen. Hier fangen die Schwierigkeiten an. Verzicht ist nicht unbedingt unsere stärkste Charaktereigenschaft. Doch wer satt ist, verzichtet doch eigentlich nicht. Darum möchte ich einen neuen Gedanken zur Gewichtsreduktion anstoßen, das Sättigungsgefühl.

Im Studium habe ich viel über Sympathikus/Parasympathikus, flüssigen Speichel und zähflüssigen Speichel gelernt. Biochemisch gesehen haben diese Mechanismen sicher viel mit dem Hunger bzw. Sättigungsgefühl zu tun, helfen aber hier nicht weiter. Wo entsteht denn das Sättigungsgefühl?

Die erste Station, und das ist jetzt nichts wirklich Neues, ist der Mund. Wer gründlich kaut, sorgt nicht nur für eine bessere Verstoffwechselung, sondern produziert damit ein Sättigungsgefühl. Nächste Station: der Magen. Unsere Mägen sind recht dehnbar. Sensoren, die wie Sehnen um den Magen liegen, reagieren auf die Dehnung. Werden sie überdehnt, schmerzt es. Leider können sie auch „ausleiern“. Wer regelmäßig so viel isst, dass diese Sensoren immer überdehnt werden, untergräbt das Sättigungsgefühl, das vom Magen ausgeht. Weiter geht’s durch Zwölffinger- und Dünndarm. Verzehren Sie wenig verarbeitete bzw. gar nicht oder richtig verarbeitete Lebensmittel, durchlaufen diese den gesamten Dünndarmtrakt, bis alles das, was bei der bisherigen Darmpassage nicht hat verstoffwechselt werden können, die Baumannsche Pforte zum Dickdarm passiert. Das schafft ein Sättigungsgefühl. Nun bleiben für den Dickdarm vor allem Kohlenhydrate. Das werden nach der bisherigen Darmpassage vor allem langkettige Kohlenhydrate (wasserunlösliche Ballaststoffe) sein. Diese füllen den Dickdarm, sorgen für eine gute Peristaltik, also eine kräftige Bewegung der Darmmuskulatur bis zum Mastdarm. Das ruft dieses tiefe, zufriedene Sättigungsgefühl hervor. Außerdem bilden die Ballaststoffe das Substrat für eine gesunde Darmbiologie und somit die Grundlage für ein robustes Immunsystem. Hier wird auch der Flüssigkeitshaushalt recycelt. Begleitet genügend Flüssigkeit den Nahrungsbrei, gibt es auch genug für die Nieren zu tun – Sättigungsgefühl. Jetzt sammeln sich die Reste im Mastdarm, idealerweise umgeben von einer glitschigen Schleimschicht, und können so beim nächsten Toilettengang angenehm und relativ geruchslos den Körper verlassen. Auch ein befriedigender Stuhlgang, ganz entspannt und von einem schönen Gefühl der Entleerung begleitet, trägt zur Zufriedenheit und somit zu einem Sättigungsgefühl bei.

Spielen wir das doch einmal ganz praktisch durch. Ein Frühstück mit Toastbrot, belegt mit Marmelade, Leberwurst und Schmelzkäse. Kauen? Nicht wirklich, mit der Zunge am Gaumen zerdrücken reicht. Und im Magen? Toastbrot bildet zwar Volumen, verlässt aber schnell wieder den Magen. Auch die hoch verarbeiteten Proteine bilden keine Herausforderung für den Magen und werden schnell weiter gereicht. Was bleibt, ist viel Säure, die nicht benötigt wurde. Da diese Mahlzeit vor allem aus Proteinen und kurzkettigen Kohlenhydraten bestand, braucht die Verdauung kaum die Gesamtlänge des Dünndarms. Die Nährstoffe werden viel zu schnell vom Körper aufgenommen, überschwemmen ihn regelrecht und die Bauchspeicheldrüse produziert hektisch Insulin, um die Mengen an Zucker, die so nicht gebraucht werden, in den Griff zu bekommen. Für den Dickdarm bleibt nichts übrig, die Mikrobiologie dort findet keine Grundlage, sucht sich jetzt ihre Nahrung in der Darmschleimhaut, baut diese gefährlich ab. Das Insulin hat inzwischen die Zucker abgebaut (in Fett umgewandelt) und ist noch immer im Blut und ruft: „Mehr Zucker!“. Das feuert den Appetit an.

Essen wir jetzt z.B. ein Vollkornbrot aus fein geschrotetem Mehl. Dazu Frischkäse mit Tomaten und vielleicht etwas Roastbeef.

Hier muss gekaut werden, und zwar kräftig, besonders die Muskelfasern des Fleisches. Die hochwertigen Proteine müssen im Magen gut gesäuert werden, bleiben also entsprechend lange im Magen, bevor sie in den Darm entlassen werden. Während der Darmpassage werden wohl die meisten Nährstoffe, vor allem die Fette und Proteine verstoffwechselt, aber das feine Schrot kann nicht vollständig aufgenommen werden und wandert in den Dickdarm, sehr zur Freude der dort lebenden Mikrobiologie. Idealerweise war das Brot ein natürlich gesäuertes Roggen (Schrot) Brot. Dann kommen hier die wunderbaren Schleimstoffe des Roggens zum Tragen und pflegen die Darmschleimhaut.

So wird und bleibt man satt und bekommt auch sein Gewicht in den Griff - und das ganz ohne auf etwas zu verzichten und ohne (oft sinnlose) Diät.

In diesem Sinne: guten Appetit!

Andreas Sommers